Spät auf lassen sie sich leider kaum verhindern: die Gedanken an den nächsten Tag. Der sich unter Umständen wieder genauso stressig gestalten könnte wie der vergangene. Im Alltag bleibt oft nichts anderes übrig, als sich den Verpflichtungen und Gewohnheiten hinzugeben und zu funktionieren. Eine dauerhafte, tiefgreifende Zufriedenheit bleibt dabei nicht selten auf der Strecke.
Was für den Einzelnen gilt, spiegelt sich häufig auch in ganzen Gesellschaften wieder. Über deren Gesamtstimmungen im globalen Vergleich gibt der sogenannte World Happiness Index Auskunft, und dabei fällt auf: das europäische Land Dänemark zählt zu den zufriedensten Völkern der Erde! Was machen unsere Nachbarn im Norden anders als wir? Zur Beantwortung dieser Fragen lohnt sich ein Blick in die Sprachwissenschaft und auf die Tatsache, dass nicht alle Wörter exakt adäquat in eine andere Sprache übersetzt werden können. So auch das dänische Wort hygge, das im Deutschen so viel bedeutet wie: der Brauch, das Leben zu genießen, und zwar in vollen Zügen und alle Bestandteile des eigenen Lebens umfassend. Die Dänen benutzen dieses Wort ganz selbstverständlich, wenn sie davon erzählen, wie sie ihren Alltag gestalten. Sicherheit, Familie, Güte, Zufriedenheit, Gastfreundlichkeit – was so einfach klingt, fällt uns in der Umsetzung enorm schwer. Vielleicht braucht es einfach einmal einen Tag die volle Bandbreite an Hygge. Deswegen gibt es hier die ultimative Spätauf-Hygge-Anleitung für einen Tag.
Mit diesem Vorsatz lässt es sich gleich viel beruhigter einschlafen, wenn möglich nicht allzu spät, denn Schlafmangel und Übermüdung sprechen eindeutig gegen ein hyggeliges Lebensgefühl!
1. Das Aufwachen
Im Normalfall erwachen wir dort, wo wir am Abend eingeschlafen sind: in unserem Bett im Landkreis Sigmaringen. Stellen wir uns aber doch einmal vor, dass wir stattdessen in einem dänischen Landhaus inmitten der Natur erwachen. Hygge zu leben fängt bereits bei der passenden Einrichtung an, und das wird schnell klar, wenn wir unseren Blick durch die fremden Zimmer unserer Fantasie schweifen lassen. Eine kleine Wand hebt sich mit einem himmelblauen Pastellton von dem frischen Weiß der restlichen Wände ab. Alleine diese Farben scheinen den Raum bereits zum Leuchten zu bringen und lenken damit von dem tristen Wetter hinter den Fensterscheiben ab.
Das ganze Haus ist mit einem robusten, glänzenden Holzboden ausgestattet, der knarzt, wenn wir auf die richtigen Dielen treten. Auch die Kommode, aus der wir unser Outfit des Tages zaubern, ist hölzern und verleiht dem Schlafzimmer die Gemütlichkeit, die uns den ganzen Tag über weiter begleiten soll. Draußen hat es mittlerweile zu schneien begonnen, aber die flauschigen Teppiche, die sowohl auf den Böden als auch auf sämtlichen Betten und Sitzmöbeln des Hauses zu finden sind, verhindern, dass wir zu frieren beginnen. Stattdessen erinnern uns die dezenten Deko-Elemente wie kleine Äste und Blumenvasen eher an eine sommerliche Waldlichtung.
Unser Haus, das spüren wir mit jeder Faser unseres Körpers, ist ein Zufluchtsort, ein Refugium, in das wir stets gerne zurückkehren. Auch wenn wir darin selten alleine sind, denn hygge bedeutet auch, dass wir die Geselligkeit lieben und einen großen Wert darauf legen, Zeit mit unserer Familie und unseren engsten Bekannten zu verbringen. Diese machen sich dann auch relativ schnell bemerkbar – mit einem stürmischen Klingeln an der Haustüre.
2. Das Frühstück
Nur gut, dass sich die Frühstückstafel in unserer fantasievollen Wunschvorstellung von ganz alleine deckt. Die Gäste vor der Haustüre haben nämlich nicht nur eine kurze Begrüßung im Sinn, sondern viel mehr ein ausgiebiges Frühstück. Zwischen den traditionellen dänischen Leckerbissen wird viel geredet und gelacht, wobei Streit und Diskussionen stets tunlichst vermieden werden. Hyggelig kann man sich eben nur fühlen, wen man mit dem zufrieden ist, was man besitzt und diesen Reichtum nicht durch Eifersucht, Missgunst und Wut zerstört.
Hygge scheint seine ganz eigene Währung zu haben, bestehend aus Momenten. Momente, die nicht davon abhängig sind, von wie viel Erfolg die eigene Karriere geprägt ist, wie viel Geld auf dem Konto ist oder wie weit das nächste Einkaufszentrum entfernt ist. Wer hygge leben möchte, fokussiert sich weniger auf die materiellen Dinge als auf das, was um uns herum geschieht: Gemeinschaft, kleine Zufälle und die Natur, die im Fall dieses dänischen Landhauses direkt vor der Haustüre beginnt.
3. Ein Spaziergang im Grünen
Nachdem alle Gäste satt und zufrieden sind, entscheiden wir uns für einen kurzen Spaziergang durch den Schnee, der noch immer vom Himmel rieselt. Hygge endet nicht an der Haustüre – im Gegenteil. Radtouren, Picknicks, und Ausflüge weiten den Blickwinkel und schärfen den Blick für das Wesentliche. Sowohl Dänemark als auch Deutschland bieten unzählige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung – fernab von der Schnelllebigkeit der heutigen Gesellschaft. Es geht nicht darum, in einem teuren Freizeitpark so viele Achterbahnen wie möglich zu fahren. Viel wichtiger ist: wer sitzt daneben? Oder: Wo sind die ganzen Sorgen in diesem Moment hin?
4. Guten Appetit!
Weil so viel Bewegung und frische Luft hungrig macht, geht es zurück zu Hause erst einmal an die Zubereitung des Mittagessens. Um dieses im Hyyge-Style genießen zu können, wird so viel wie möglich selbst zubereitet. Das gemeinsame Backen oder Kochen sorgt nicht nur zwangsläufig für Austausch und ein Gemeinschaftsgefühl, sondern steigert auch die Vorfreude auf das anschließende Festmahl. Jeder, der schon einmal Weihnachtsplätzchen, Pizza oder Brot gebacken hat, weiß wie gut es sich anfühlt, nach getaner Arbeit endlich zuschlagen zu können. Auch so entstehen also Momente, die uns reicher machen. Was natürlich nicht bedeutet, dass Gekauftes generell verboten ist, - im Gegenteil, denn der süße Geschmack von Schokolade kann bekanntlich Wunder in Sachen Glückshormone bewirken.
5. Eine literarische Bereicherung
Wenn gegen Mittag Ruhe einkehrt, ist das Lesen eine optimale Beschäftigung, egal ob es sich dabei um die Zeitung, das Lieblingsbuch oder den neuen Blogbeitrag von spätauf handelt. Wem das noch nicht hyggelig genug ist, der findet im Internet eine nahezu uendliche Auswahl an Ratgebern, die sich mit dem Thema Hygge befassen und Anstöße für das eigene Leben bieten, die über diese Tipps weit hinausgehen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Glücksforscher Meik Viking beschreibt in seinem Buch „Hygge – ein Lebensgefühl, das einfach glücklich macht“ sehr genau, was das Geheimrezept der Dänen ist.
6. Friedlicher Ausklang
In den Wintermonaten wird es früh dunkel, und die Dänen haben ihre eigene Art gefunden, damit umzugehen. Sie bringen sich das warme Licht zurück in ihre Abende: mit Kerzen. Kerzen sind absolut hygge – ihrem Flackern wird zudem häufig eine beruhigende Wirkung zugesprochen. Wir kuscheln uns in die warmen Teppiche in unserem von Kerzenschein erhellten Zimmer und fühlen uns einfach hyggelig – kein Vergleich zum gestrigen Abend.
Vielleicht liegt es an der Lichtgeschwindigkeit, in der unsere Gesellschaft heutzutage zu agieren scheint. Vielleicht ist es die Faszination für das Land Dänemark, dessen soziale Situation sehr sicher und positiv ist. Woran es auch immer liegt – der Hygge-Trend reißt nicht ab und zieht immer mehr Menschen in seinen Bann. Auch wenn sich nicht alle Anregungen nahtlos in den Alltag einbeziehen lassen können, gibt es doch immer die Möglichkeit, Fantasiereisen wie diese anzutreten.
Und wer der Meinung ist, Dänemark und den Hygge-Lifestyle nun genug erkundet zu haben, der kann in der nächsten Nacht direkt weiterreisen: nach Kanada, wo der „hominess“-Trend ähnlich viele Menschen anzieht, und uns spät auf noch fasziniert.
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Nachteule-Tabitha